Einleitungstext

Unternehmenstransformation

 

 Autoren: Rainer Grießhammer

1. Sozial-ökologische Problemlagen

Die klassische Rolle und Position von Unternehmen hat sich in den letzten Jahren in mehrfacher Hinsicht verändert. Umwelt-und Sozial-Standards spielen eine größere Rolle, bedingt durch internationale Vereinbarungen oder Deklarationen (Pariser Klima-Abkommen, Agenda 2030, UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte), Gesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene, Absichtserklärungen wie die zu Green Economy, Initiativen der Bundesregierung (z. B. Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, Bündnis nachhaltige Textilien), Aufkommen alternativer Wirtschaftskonzepte sowie durch den verschärfter Blick der Öffentlichkeit und steigende gesellschaftliche Ansprüche. Weltwirtschaftlich verschiebt sich der Schwerpunkt zunehmend in Schwellenländer, insbesondere nach China, das wichtige wirtschaftliche Prozesse dominiert (Beispiel Elektromobilität, Verfügbarkeit von Rohstoffen). Deutschland ist als rohstoffarmes Land und Exportweltmeister besonders von weltwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig.

Die technologischen Entwicklungen haben sich außerordentlich beschleunigt, durch die Digitalisierung/Automatisierung gibt es eine zunehmende Kopplung, Verstärkung und Beschleunigung von technologischen und sozialen Innovationen, neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entstehen, bestehende werden radikal in Frage gestellt. Das Verhältnis zu Konsumenten ändert sich, zum Beispiel durch Prosumer, Sharing-Konzepte oder mit Bürgerenergiegesellschaften.

Unternehmen professionalisieren ihr Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement zunehmend, eine absolute Minderung von Energie- und Ressourcenverbrauch gelingt jedoch den wenigsten. Wettbewerbsumfeld und regulatorischer Rahmen determinieren (und limitieren) maßgeblich die Möglichkeiten, mit ökologischen oder nachhaltigen Produkten im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Die „externen Kosten“ finden sich in der Regel nicht im Zielsystem von Unternehmen wieder.

2. Darstellung des Wissensstandes und Forschungslücken

Die weltweite Produktion und der weltweite Konsum sind seit dem Zweiten Weltkrieg exponentiell gestiegen. Gleiches gilt für den ökologischen Fußabdruck der Konsummuster, der die Tragfähigkeit der Ökosysteme zunehmend überfordert. Durch den berechtigten Nachholbedarf in Entwicklungs-und Schwellenländern sowie die erwartete Zunahme der Weltbevölkerung wird sich diese Entwicklung ohne drastische Gegenmaßnahmen deutlich verschärfen. Konsistenz-und energieeffizienzbezogene Maßnahmen und nachgeschaltete Filter-oder Reinigungstechnologien konnten die Entwicklung allenfalls abmildern. Durch die digitale industrielle Revolution und durch bereits „ausgerufene“ oder absehbare intentionale Transformationen (Energiewende sowie Mobilitätswende, Agrarwende) ändern sich die Bedingungen für Unternehmen kontinuierlich oder disruptiv.

Besondere Forschungslücken bestehen bei Visionen/alternativen Wirtschafts- und Unternehmenskonzepten; Nachhaltigkeitsinnovationen; Nachhaltigkeitsorientiertes Changemanagement in der Wertschöpfungskette; Governance-Konzepten sowie der Bewertung von Unternehmenshandeln. Nachstehend ist der Forschungsbedarf dazu spezifiziert.

3. Beschreibung möglicher Forschungsfragen

Visionen/alternativer Wirtschafts- und Unternehmenskonzepte

  • Strategien und Modell zur Reduktion des Überflusskonsums; unterschiedliche Unternehmensmodelle: wachstumsneutral/ressourcenneutral, wachsend aber nachhaltig,  schrumpfend und nicht nachhaltig, sowie alternative Wirtschaftsformen (z.B. Genossenschaften).

Nachhaltigkeitsinnovationen

  • Analyse der Veränderung des „Spielfeldes“ durch neue Akteure
  • Weiterentwicklung von Innovationsprozessen, die sich neuartiger Methoden (wie z.B. Design Thinking) bedienen und gleichzeitig gesellschaftliche Bedürfnisse konsequenter berücksichtigen.
  • Potentiale&Hemmnisse neuer Geschäftsmodelle/konzeptionen wie Sharing Economy, Prosuming und Prosumentennetzwerke, langlebige/reparaturfähige Produkte im Massenmarkt, „net-positive“ Unternehmen.
  • Potentiale einer internationalen Kooperation zur Förderung und Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen
  • Raum schaffen für Neues – rechtliche, finanzielle und andere Rahmenbedingungen schaffen für eine neue grüne Gründerzeit, sozial-ökologische Startups, etc. - (wie) lassen sich nachhaltige neue Geschäftsmodelle besonders fördern? Was davon spielt sich in der „konventionellen“, profitorientierten Ökonomie ab, was als alternative Wirtschaftsform?

Nachhaltigkeitsorientiertes Changemanagement in der Wertschöpfungskette

  • Reaktionspotentiale von Unternehmen auf die Agenda 2030, im Besonderen auf Sustainable Development Goal (SDG) 12 („Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen“) und die planetaren Belastungsgrenzen.
  • Rolle und Reaktionspotentiale von Unternehmen in den intentionalen sozial-ökologischen Transformationen; Identifizierung und Förderung von „Gewinnern“ der Transformation. Übergangsprozesse und Exnovationsstrategien für „Verlierer“ der Transformation. Unternehmensinterne Herausforderungen bei Unternehmenstransformationen (Mitarbeiterschaft, Produktionsanlagen, Organisationsstruktur und -kultur)
  • Analyse von Unternehmensformen/-handeln, die tatsächlich Nachhaltigkeitseffekte haben. Identifizierung von entsprechenden Schlüsselunternehmen. Identifizierung dominierender globaler Wertschöpfungsketten und ihrer Wirkungen in Europa und weltweit
  • Neue Organisationskonzepte und Managementtools für nachhaltige Unternehmenstransformationen (z.B. Design Thinking) und Weiterentwicklung bestehender Formate. Besonderer Fokus auf Vermeidung von ökologischen und sozialen Risiken (Klimawandel, Rohstoffverknappung, Menschenrechtsverletzungen etc.), freiwillige Berücksichtigung (und ggfs Internalisierung) externer Kosten in Gewinn und Verlustrechnung / Produktkosten, sowie Nachhaltige“ Interessenvertretung (Lobbying) durch Unternehmen
  • Kohärenz von Nachhaltigkeitsverständnis und -definitionen in Branchen (Einordnung Product Environmental Footprint (PEF, planetare Belastungsgrenzen, SDGs, freiwillige Initiativen, nicht-finanzielle Leistungsindikatoren) und in der Bevölkerung sowie der hierfür erforderlichen Aushandlungsprozesse. Identifizierung nicht nachhaltiger Arbeitsverhältnisse  im ökologischen Bereich

Governance-Konzepte

  • Analyse des grundsätzlichen Handlungsrahmens für Unternehmen und des Verhältnisses bzw. der Rolle von Staat und Unternehmen
  •  Möglichkeit der Verknüpfung von Unternehmenszielen und globalen Nachhaltigkeitszielen
  • Innovative und flexible Governance-Konzepte, die mit hoch beschleunigten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen (Beispiele airbnb, uber, Genome Editing) Schritt halten können
  • Ansätze für die ökologische und soziale Governance von Wertschöpfungsketten durch Unternehmen und Staat. Möglichkeit und Grenzen der Haftung von Unternehmen und Investoren für Umweltschäden an globalen öffentlichen Gütern; Durchsetzbarkeit menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten, Impact-Messung, Standardisierung von Environmental Social Governance (ESG)-Kriterien
  • Überprüfung der Annahmen zum Verhalten und Performance von Unternehmen, auf deren Basis umweltpolitische Instrumente gestaltet werden. Analyse der Verteilungswirkungen von umweltpolitischen Instrumenten zwischen Branchen, zwischen Industrie / Haushalten.

Bewertung von Unternehmenshandeln

  • Weiterentwicklung von integrierten Produkt-Nachhaltigkeits-Analysen&Portfolio-Analysen
  • Indikatorenset zur Nachhaltigkeitsmessung in verschiedenen Sektoren und mit Bezug auf die SDG
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