Sozial-ökologische Transformation des Gebäudesektors

Klimaschutz und Wohngesundheit bei der Materialwahl beachten

Für die klimagerechte Transformation des Gebäudesektors wird gegenwärtig noch zu einseitig die Nutzungsphase betrachtet. Die so genannte "graue" Energie zur Herstellung der Baumaterialien bleibt außer Betracht, obwohl sie bei Neubauten nach EnEV inzwischen etwa gleich groß ist wie deren Nutzungsenergieverbrauch in 50 Jahren. Unterschiedliche Rohmaterialien und unterschiedliche Herstellungsweisen bewirken einen sehr unterschiedlichen "Rucksack" der Baustoffe in Bezug auf Primärenergie und GWP. Hierzu muss eine Transformationsstrategie konkrete Anworten und Handlungsanweisungen finden, weil sich auf diese Weise große CO2-Einsparungen auf gesellschaftlicher Ebene realisieren lassen. Dazu gehört beispielsweise auch eine gesellschaftliche Förderung nachwachsender Rohstoffe. Sozialwissenschaftliche Forschung sollte die hierfür nötigen Instrumente beschreiben.
Der Bausektor ist der größte Verursacher von Abfall, derzeit wird nur ein sehr geringer Teil davon hochwertig recycelt. Im Bausektor kommen in zunehmendem Maße Verbundmaterialien zum Einsatz, welche zudem oft auch noch chemisch behandelt sind, was ein späteres Recycling behindert. Es werden oft ohne Not erhebliche Stoffströme mit hohem gesellschaftlichem Aufwand bewegt, zum Teil auch Ressourcen eingesetzt, welche sehr begrenzt sind und nicht nachhaltig gewonnen werden (können) - d.h. unter Beeinträchtigung der Biodiversität und fundamentaler sozialer Rechte. Im Rahmen einer Transformationsstrategie im Gebäudesektor müssen Aspekte der Kreislaufwirtschaft und der nachhaltigen Lieferkette auch ordnungspolitisch adressiert werden (Deklarationspflichten, Recycling-Vorgaben, Entsorgungsstrukturen). Sozialwissenschaftliche Forschung sollte die Handlungsfelder ermitteln.
Durch die hohe Aufenthaltsdauer (> 90% der Lebenszeit) in immer stärker gekapselten Innenräumen wirken toxische Stoffe und Ausgasungen stärker als früher auf die Gebäudenutzer ein. Hier besteht vermutlich ein Zusammenhang zur steigenden Zahl der Allergien und unspezifischen Erkrankungen. Die gegenwärtige Zulassungspraxis für Baumaterialien sowie das ordnungspolitische Instrumentarium sind aktuell nicht in der Lage, diesem Zustand wirksam abzuhelfen. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens sollte ermittelt werden, was die derzeit mangelnde Umsetzung von Schadstoffminderungsstrategien und die allgemein geringe Kenntnis der Zusammenhänge verursacht und wie dem abzuhelfen wäre.
Die Materialwahl unter den genannten Nachhaltigkeitsaspekten wird erleichtert durch (private) Umweltzeichen und Umwelterklärungen. Doch diese sind derzeit noch nicht auf breiter Ebene in die Baupraxis eingeführt. Im Rahmen einer Forschungsarbeit könnte man ermitteln, wie die Akteure (Bauherren, Planer, Bauausführende) mit einem Anreizsystem zu ökologisch verantwortlichem Handeln motiviert werden können.