Mir erscheint es als zu kurzgefasst, Digitalisierung auf industrielle Produktion und insbesondere auf Industrie 4.0 zu reduzieren – noch dazu im Kontext von Nachhaltigkeitsforschung. Sicherlich gibt es eine unüberschaubare Menge an offenen Fragen im Zusammenhang mit dieser speziellen Perspektive; der Text nennt eine Auswahl. Es entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, das umfassendere Thema „Digitalisierung“ auf den Teilaspekt „Industrie 4.0“ zu reduzieren – beispielsweise, um die Resultate vergleichbarer, für das Themengebiet unmittelbar anwendbarer zu machen und um das Untersuchungsspektrum zu reduzieren.
Aber m.E. sollte unter dem Forschungsthema „Nachhaltigkeitsbilanz und sozial-ökologische Gestaltungsoptionen der Digitalisierung“ die Chance genutzt werden, ein umfassenderes Nachhaltigkeitsbild der Digitalisierung zu entwickeln. Digitalisierung sollte allgemein als Prozess des sozio-ökonomischen Wandels, der durch Einführung digitaler Technologien, darauf aufbauender Anwendungen und deren Vernetzung angestoßen wird, interpretiert werden. In dieser Sichtweise ist Industrie 4.0 ein Ausdruck der Digitalisierung, neben anderen.
Die Frage ist, wie nachhaltig Informationstechnologie ist. Dazu gehört, dass man eben nicht mehr länger davon ausgeht, dass IT keine Umweltbelastung mit sich bringt bzw. „umweltneutral“ ist. Zu lange hat man sich vorgemacht, IT ermögliche per se ressourcenschonende Arbeitsweisen, Kooperation und Kommunikation. Jedem ist inzwischen klar geworden, dass das „papierlose Büro“ nur eine Illusion ist und im IT-unterstützten Büro nach wie vor jede Menge Papier verbraucht wird. Und nicht nur Papier.
IT benötigt Energie – und davon nicht wenig. Die Frage, wie viel davon wirklich zur Erfüllung der Aufgaben notwendig ist und wie viel „Leerlauf“ bzw. „Blindleistung“ dabei ist, also beispielsweise von Computersystemen verbraten wird, nur weil sie eingeschaltet sind und vielleicht noch gebraucht werden. Oder von Serversystemen, die Leistungen bereithalten, die vielleicht demnächst von jemandem genutzt werden könnten. Vereinfacht ausgedrückt: wie viel Energie braucht die IT unserer digitalisierten Gesellschaft und wie viel Energie würde auch problemlos genügen?
Nicht nur der Betrieb von Hardware benötigt Energie, natürlich auch die Produktion der Hardware – vom Rohstoff, über die Herstellung, über die Logistik bis zum mglw. vorzeitigen Nutzungsende und der Entsorgung. Auch gerne als Elektroschrott, getarnt als „Gebrauchtelektronik“, containerweise Richtung Afrika oder Asien, weil Müllexport offiziell unzulässig ist. Wie nachhaltig sind diese IT-Lebenszyklen?
Das Problem wird ja nicht kleiner. Selbst mit dem Bemühen um erneuerbare Energien entsteht ein stetes Mehr an zukünftigem Elektroschrott. Sind Photovoltaiksysteme etwa umweltneutral? Was macht man mit den Systemen, wenn sie ausgedient haben oder sich nicht mehr rechnen? Die Infrastruktur der smart grids wird sich sicher auch nicht unbegrenzt nutzen lassen. Was wird mit diesem Teil der Digitalisierung? Ist sichergestellt, dass beispielsweise diese Hardware wieder zur Produktion neuer Systeme genutzt werden kann? Was wird später eigentlich aus den diversen Generationen von Batteriespeichersystemen? Generationen von Sondermüll?
Natürlich ist analoge Technik ebenso wenig umweltneutral, natürlich müssen auch diese Systeme irgendwann entsorgt werden. Natürlich kann man analoge Technik auch in Containern um die halbe Welt schicken. Aber vielleicht hat eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse der Digitalisierung positive Nebenwirkungen. Vielleicht setzen sich so nachhaltige(re) Lösungen, Bauweisen, Betriebsarten durch, weil die Kosten ehrlicher kalkuliert und die entsprechenden Produkte und Dienstleistungen bessere Chancen auf dem Markt haben?

In den letzten Jahren ist die Digitalisierung in nahezu allen Wirtschafts- und Lebensbereichen allgegenwärtig geworden. Die mit ihr verbundenen Chancen und Risiken werden zunehmend in Medien, Politik und Gesellschaft diskutiert.